Psst.. Seb… are you awake? hörte ich Niv im Dormitory flüstern. Wir hatten uns vor etwa drei Stunden hingelegt, um Energie zu tanken, bevor wir die Nacht durchmachen würden. Aber wirklich gebracht hat es nicht viel … Ich lag grösstenteils wach da, während sich andere bereit machten, um auszugehen oder vom Abendessen zurückkamen.
Jetzt wusste ich es gehts los. Wir packten unsere Hiking Schuhe und schnappten die Rucksäcke, um die anderen Teilnehmer unten zu treffen. Ein paar Tage zuvor haben wir uns eingetragen für den kommenden Full Moon Hike auf den Santa Maria.
Eigentlich war für mich schon fast die Zeit gekommen, um weiterzuziehen. Die paar Tage in Xela (Quetzaltenango, Guatemala), waren cool und es zogen viele interessante Backpacker hier durch. Aber, ich fand die Stadt nicht sehr ansehnlich, sondern eher grau und kalt – obwohl sie einiges zu bieten hatte und das war unter anderem Wandern.
Die Temperaturen in Xela – wie die Stadt oft genannt wird, waren eher auf der kalten Seite. Und somit trugen wir nach dem hitzigen Klima an der Karibik und Pazifik teilweise alle möglichen Klamotten, die der Rucksack gerade hergegeben hat. Jedes Mal, wenn ich einen dicken Pullover oder meine Jeans zum Waschen bringen musste, habe ich mich gefreut, diesen am nächsten Tag wieder abzuholen.
Nach einer kurzen Besprechung wurden wir mit Minibussen ein paar Kilometer aus der Stadt gefahren. Am Fuss des Vulkans wurden wir abgesetzt und folgten in kleinen Gruppen mit Taschenlampen den Guides. Diese bestanden aus Guatemaltecos und Hiking Enthusiasten von überall auf der Welt. Die meisten davon sind in Xela gestrandet und arbeiteten jetzt als Guides.
Vor uns lag er also, der Vulkan Santa Maria, den wir in den nächsten Stunden erklimmen würden. Also machten wir uns auf den Weg, der uns abwechselnd über kleine Pfade und Schotterwegen durch bewaldete Abschnitte und über offene Felder führte. Obwohl es die Vollmondnacht war, war das Licht relativ spärlich. Immer wieder wurde der Mond durch Wolken gedimmt und es hatte viele Bereiche, die ohne Taschenlampen nicht möglich gewesen wären. Die Zeit verging wie im Flug und die Gruppe folgte relativ unvoreingenommen den Hikern, die uns leiteten. Da wir die gesamte Strecke im Dunkeln zurücklegten, gab es nicht viel zu sehen und es war nicht vergleichbar mit den Jungel Treks, die ich Wochen zuvor in Chiapas durchwandert bin.
Der Startpunkt für den Aufstieg lag ca. auf 1500 müM und wir bewältigten auf dem gesamten Full Moon Hike ca. 2300 Höhenmeter, um den Gipfel auf 3772 müM zu erreichen. Anfangs ist der Anstieg relativ flach, je länger man aber unterwegs ist, desto steiler werden die Wege. Nach ca. der Hälfte gibt es ein paar aussergewöhnliche Blicke auf das Lichtermeer der Stadt.
Es war beeindruckend zu sehen, wie riesig diese Stadt in der Nacht wirkte. Klar, es ist die zweitgrösste Stadt Guatemalas. In den letzten Tagen waren wir aber oft zu Fuss unterwegs und auf mich wirkte die Stadt niemals so gross – vielleicht auch, weil es sehr wenig wirklich hohe Gebäude gibt!? Den grössten Teil des Hikes waren Niv und ich mit einer Gruppe von ca. 10 anderen Teilnehmern unterwegs. Mal kamen ein paar dazu und später liessen sich Einzelne zurückfallen.
Der letzte Abschnitt kostete ordentlich Kraft und ich liess mich von der vorderen Gruppe ein wenig zurückfallen. Langsam merkte ich in den Beinen, dass ich die letzten Tage zwar viel zu Fuss unterwegs war, aber dass ich nicht mehr so fit war wie noch vor ein paar Monaten. Das Reisen in subtropischem Klima fühlte sich traumhaft an, aber für Ausdauersport fand ich das Klima nicht besonders geeignet. Als ich wieder zu Atem gekommen bin, hängte ich mich bei der nächsten Gruppe ein. Schliesslich machten wir es bis auf den Gipfel. Oben angekommen hatten wir noch knapp eine Stunde Zeit, bis der Sonnenaufgang starten würde.
Die Luft war in der Nacht knusprig kalt und man merkte bereits während dem Aufstieg, dass die Temperatur fällt. Als wir uns oben hinsetzen wollten, entdeckten wir, dass sich eine leichte Eisschicht auf den Steinen und Felsen bildete. Es war also nahe am Gefrierpunkt und so fühlte es sich auch an. Einerseits, war es kalt, andererseits war es sicherlich auch die Müdigkeit, die begünstigte, dass es sich noch kälter anfühlte. Um die Beine zu entlasten, setzten wir uns auf ein paar Steine und schützten uns vor dem Wind. Mittlerweile war auch allen anzusehen, dass der Aufstieg Kraft gekostet hatte – aber nicht nur das, vielmehr war zu sehen, dass die meisten vor dem Start kein Auge zugemacht hatten. Sprich, wir waren bald 24 Stunden auf den Füssen … oder zumindest wach!?
Also warteten wir auf dem Gipfel, bis die Sonne in der Ferne anfing aufzugehen. Jeder vergrub seinen Kopf im Kragen und zog die Kapuze ein wenig enger zusammen. Mittlerweile waren die Wolken verzogen und es breitete sich ein erster orangefarbener Streifen am Horizont aus. Heute würde es einen fantastischen Sonnenaufgang geben. Wir wurden für unseren Fleiss belohnt, die Nacht verzog sich allmählich und die Sonne startete ihren Aufstieg.
Und mit dem Tageslicht bot sich uns auch noch ein weiteres Spektakel, denn neben dem Santa Maria gibt es den etwas kleineren Vulkan Santiaguito, der noch aktiv ist. Ich hatte im Vorfeld bereits gelesen, dass man von hier aus einen tollen Blick darauf erhalten würde und dass dieser in regelmässigen Abständen Rauchwolken aufsteigen lässt. Nachdem die Sonne etwas höher stand und der Santiaguito ein paar sehenswerte Aschewolken in den Himmel gepustet hatte, haben wir uns für den Abstieg vorbereitet.
Wir waren müde und der Weg zurück ins Bett zog sich noch lange den Hügel runter. Aber es half nichts … auch wenn der Aufstieg motivierender war als der Abstieg, mussten wir auch diesen antreten. Ich merkte, dass meine Kräfte nachliessen – und dass meine Schuhe zu wenig Profil hatten, um mir auf dem feuchten Boden den nötigen Griff zu haben.
Eine Handvoll mal rutschte ich schlicht und einfach aus und packte mich auf den Hintern. Andere Male konnte ich mich noch fangen und auf den Beinen halten. Aber zu meinem Glück waren die Pfade nicht gefährlich, sodass das gelegentliche Ausrutschen nur ein paar blaue Flecken hinterliess.
Mit dem Full Moon Hike neigte sich meine Zeit in Xela dem Ende zu. Und somit blieben die blauen Flecke nicht viel mehr als ein kleines Andenken, das mich zwei Tage später auf der Busfahrt zum Lago Atitlan begleitete.
Für Niv war die Zeit noch nicht reif, um weiterzureisen – das nächste Mal als sich unsere Wege kreuzten, war am Hafen von La Ceiba (Honduras). Das war ca. 1.5 Jahre später, er hatte einen Vollbart und war auf dem Weg nach Utila für einen kurzen Urlaub. Er war immer noch in Xela und arbeitete seit ich die Stadt verliess, als Guide für Hiking – Touren… auch beim monatlichen Full Moon Hike!.