Abroad & Lost

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“Sir …. Sir can you please bring your seat in an upright position? We’ll be landing soon.“ Als ich die Augen aufschlage, stellte ich fest, dass ich nicht der Einzige bin, der weggenickt ist. Nachdem der Flug mit 30 Minuten Verspätung losgeflogen ist, konnte ich trotz Lärm immer wieder ein wenig dösen. Aber so richtig eingenickt war ich erst, als die beiden Kids in der Reihe vor mir eingeschlafen sind. Jetzt freute ich mich auf die ersten Eindrücke, die mich in Guatemala City erwarten.

Als ich das Gepäck von Band nehme, merke ich, dass ich dringend ein wenig Bewegung brauche. Ich spüre in den Beinen und Rücken, dass ich die letzten Stunden im Flugzeugsitz eingequetscht war. Also nehme ich mir vor, heute noch ein paar Schritte durch die Stadt zu gehen und mich ein wenig umzusehen.

Als ich das Flughafengebäude verlasse, nehme ich einen tiefen Atemzug an der frischen Luft. Mmmh … das hatte ich mir besser vorgestellt. Wie in den meisten Städten Zentralamerikas ist auch hier die Luft geschwängert mit Abgasen. Die Autos und Busse, die hier fahren, hätten in Europa nicht mal mehr eine Zulassung erhalten. Noch bin ich in der Nähe des Flughafens und ich kann mich frei bewegen. Ansonsten werde ich mich in den nächsten Tagen in den Touristengebieten aufhalten müssen.

Als ich im Hotel ankomme und mein Zimmer bezogen habe, springe ich als Erstes in leichtere Kleidung. Ich trinke aus der kleinen Wasserflasche, die ich an der Rezeption erhalten habe. Es fühlt sich gut an, die festen Jeans gegen eine leichte Shorts zu tauschen. Kaum zu glauben, dass ich nach dem Schnee- und Verkehrschaos gestern, erst einmal zwei Wochen in den Tropen vor mir habe. Ich verstecke meine Wertsachen im Zimmer, schnappe mir die Sonnenbrille und trete kurz darauf auf die Strasse. Da ich mir keine klare Route gesteckt und keinen Plan gemacht habe, starte ich eine Geh-Einheit auf meiner Uhr. So kann ich sichergehen, dass ich am Ende wieder zurück zum Hotel finde.

Ich weiss, dass der zentrale Platz nur ein paar Blocks entfernt ist und mache mich auf den Weg da hin. Als ich entlang der Strassen schlendere, versuchen mich Kellner vor den Restaurants, in ihre Gaststube zu locken. Und nachdem ich mich das gefühlt 20. Mal mit “No, gracias – talvez mas tarde!?” entschuldigt habe, beschliesse ich, meinen Gang in ein leichtes Joggen überzuleiten. Ich lasse mich leiten vom Gefühl und den Strassen um mich herum. Wie immer in Zentralamerika bin ich fasziniert von der farbenfrohen Stadt. Wobei Guatemala City im Reiseführer nicht im Geringsten so freundlich anhört. Nachdem meine Uhr sagt, dass ich bereits 6 Km hinter mir habe, beschliesse ich zurück zum Hotel zu laufen. Sobald ich in der Nähe bin, werde ich etwas kleines Essen, bevor ich mich schlafen lege.

Ich aktiviere die Funktion “zurück nach Hause” und folge der Route auf meiner Uhr. Nachdem ich zwei Abzweigungen später um eine Hausecke laufe, bleibe ich stehen. Gut möglich, dass das der direkteste Weg ist, aber definitiv nicht der Weg, den ich hergekommen bin. Und mit Sicherheit auch nicht der Weg, den ich als Gringo in beginnender Dämmerung nehmen will. Ich beschliesse weiter entlang der grösseren Strasse zu laufen.

Immer wieder sagt meine Uhr, dass ich nach links abbiegen soll. Aber die vorgeschlagenen Strassen sehen genau so aus, wie man sie vermeiden sollte. Von überall dringt Lärm und Gebrüll zur Hauptstrasse. Die Strasse ist voll mit Müll, und die Gassen, die immer kleiner werden, sind dunkel und schmutzig. Ausserdem sehen die Häuser oder besser gesagt, die Hütten mehr nach Ghetto als nach Hauptstadt aus. Also folge ich weiterhin der Strasse, auf der ich aktuell bin. Früher oder später werde ich dieses Gebiet sicher umgehen können.

Zehn Minuten später komme ich an eine grosse Kreuzung mit tierisch viel Verkehr und Ampeln in jede Richtungen. Die Abgase zwingen mich, meine Nase und den Mund mit dem verschwitzten T-Shirt zu bedecken. Das war ja eine tolle Idee, mit der kurzen Laufrunde – hätte ich mich mal vor das Hotel gesessen, ein Bier getrunken und Quesadillas bestellt. Mittlerweile bin ich bei 11 Km angelangt. Meine Uhr sagt, dass es weitere 4 Km geht, um zurück zum Hotel zu gelangen. Langsam werde ich ungeduldig! Nicht, weil es noch 4 Km sind. Sondern, weil meine Uhr nicht weiss, ob mir die vorgeschlagene Route gefallen wird!

Ich raffe mich zusammen, schliesslich schaffe ich auch noch 14 Km, wenn es sein muss. Und im Endeffekt ändert es nichts. Ich kann zurücklaufen oder ein Taxi anhalten, aber hier bleiben kann und will ich nicht! Als ich an der nächsten Ampel stehe und darauf warte, dass es grün wird, verschaffe ich mir auf dem Handy einen Überblick. Die 4 Km könnten wirklich hinkommen. Ich gehe über die Strasse und folge der Route durch einen kleinen Park.

Der Park wird zwar nur knapp durch die umliegenden Strassenlaternen beleuchtet. Das scheint aber die Gruppe Jugendliche nicht zu stören, die aus je zwei Rucksäcken Tore gesteckt haben und Fussball spielen. Ich halte kurz an, um den beiden Teams zuzuschauen. Das Niveau ist nicht besonders hoch – jedoch muss man zu ihrer Verteidigung auch sagen, dass weder der Ball noch der Park sich für Fussball eignen. Es scheint sie aber nicht weiter zu stören, beide Teams haben einen riesigen Spass daran. Als ich mir das Spektakel ein paar Minuten mit angesehen habe, bewege ich mich weiter in Richtung meiner Route.

Aus einem Augenwinkel sehe ich, dass von rechts zwei Autos angeschossen kommen. Unter laut quietschenden Reifen kommen sie neben dem Park zum Stillstand. Die Türen fliegen auf und aus jedem Wagen springen 4 Typen. Alle sehen bedrohlich aus und sie tragen Kapuzenpullis. Als sie auf die Gruppe Jungs zulaufen, ahne ich nichts Gutes. Ich bleibe wie angewurzelt stehen! Nachdem ich ein paar Sekunden wie festgefroren dastehe, sehe ich, dass einer davon in meine Richtung rennt. Mist, das fehlt mir gerade noch! Noch keine 24h in der Stadt und schon bahnt sich eine Gefahr an. Im Bruchteil einer Sekunde spule ich all die Warnungen zu Guate-City ab, die ich im Vorfeld gehört oder gelesen habe. Aber nein … ich konnte ja nicht meine Flossen still halten! Ich musste unbedingt eine kleine Runde auf eigene Faust drehen!?

In dieser Sekunde wird mir bewusst, dass ich das jetzt gerade nicht brauche! Ich schaue den Typen nochmal an und sehe, dass er leicht übergewichtig ist. Ich drehe auf dem Absatz um und spurte los. Der Typ brüllt mir irgendwelche Schimpfwörter hinterher und ich höre, dass auch er Tempo aufnimmt. Über meine Schulter kann ich erkennen, dass er kurz darauf bereits langsamer wird. Unbeirrt sprinte ich weiter. Auch wenn ich ihn bereits abgehängt habe, werde ich mich nicht noch einmal einholen lassen. Egal ob von einem schnelleren Kollegen oder ob mit dem Auto. Den Rest der Strecke bringe ich schnell und ohne Umwege hinter mich. Auch als ich 4 Minuten später erneut vor einer dunklen Gasse stehe.

Dieses Mal überlege ich nicht lange. Ich blicke geradeaus, lege einen Zahn zu und fliege regelrecht durch die Gasse. Auch wenn die Region nicht sicher ist und Touristen hier nichts verloren haben. Bevor sich jemand nach mir orientieren kann, bin ich bereits wieder weg. Minuten später komme ich triefend vor Schweiss vor meinem Hotel an. Die Türe ist mittlerweile mit einem Gitter geschlossen. Als ich die Klingel betätige, kommt ein Watchman um die Ecke und öffnet das Gitter, damit ich rein kann. Er sieht mich an, lächelt und sagt freundlich “…hace calor esta noche, verdad!?”

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